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Ausbildung für Einsätze nach Sonnenuntergang

Flugbetrieb| Views: 3320

Text: Thomas Heckmann        In den vergangenen Wochen waren gefühlt deutlich mehr Hubschrauber über Ulm und Neu-Ulm unterwegs als sonst. Vor allem in den Abend- und Nachtstunden füllten sich die Kommentarspalten der sozialen Medien mit Hubschrauber-Sichtungen und wilden Vermutungen.

Tatsächlich war die bayerische Polizei in den vergangenen Tagen gleich zweimal am späten Abend mit einem Hubschrauber auf Einbrechersuche. In Thalfingen war man erfolgreich, die beiden Täter aus Pfuhl sind noch flüchtig. Am Mittwoch war im Ulmer Norden ein Polizeihubschrauber im Rahmen einer SEK-Übung unterwegs. Außerdem gibt es zahlreiche Trainingsflüge der Bundeswehr rings um den Truppenübungsplatz Lerchenfeld zwischen Ulm und Dornstadt.
Mit den neuen Maschinen des Typs M 145 vom Standort Laupheim üben zum einen Spezialkräfte des KSK in Calw, außerdem laufen intensive Trainings für kommende Einsätze in Afrika. Daneben fliegen einige Rettungshubschrauber aus Süddeutschland die Uni-Klinik und das Bundeswehrkrankenhaus am Ulmer Eselsberg an, da die Krankenhäuser in der Stufe der Maximalversorgung stehen und auch immer wieder schwerstverletzte Patienten aus anderen Kliniken der Region zur Weiterbehandlung bekommen.
Auch der Ulmer Rettungshubschrauber Christoph 22 wickelt fast 1.500 Einsätze jährlich von seinem Stützpunkt am Eselsberg ab. Bisher erfolgen die Einsätze des Rettungshubschraubers von sieben Uhr morgens bis zum Beginn der Dämmerung. Gerade in der dunklen Jahreshälfte im Winter ist das unbefriedigend, vor allem für die Verletzten, die dringend Hilfe benötigen. In einigen Bundesländern wird daher zumindest im Winterhalbjahr an der Ausweitung der Einsätze bis in die Dunkelheit hinein gearbeitet.


Neben einigen wenigen Hubschraubern, die voll nachtflugtauglich sind, und überwiegend für dringende Verlegungsflüge zwischen Kliniken eingesetzt werden, sollen möglicherweise an einigen Stationen die Flugzeiten ausgeweitet werden. In Baden-Württemberg wird derzeit für das Sozialministerium eine Studie erstellt, die Bedarf und Möglichkeiten aufzeigt. Wenn sich das Land für eine Ausweitung der Betriebszeiten entscheidet, wird diese Leistung in einem Ausschreibungsverfahren bei den Betreibern der Rettungshubschrauber eingekauft. Auch die ADAC Luftrettung bereitet sich auf diese Möglichkeit vor und hat in Ulm ideale Bedingungen dafür. Stationsmaschine ist ein nahezu fabrikneuer Airbus H 145, der mit aller notwendigen Technik ausgestattet ist. Außerdem ist einer der in Ulm stationierten Piloten Nachtfluglehrer und kann daher mit großer Ortskenntnis Kollegen ausbilden. Außer der im Hubschrauber eingebauten Nachtflugtechnik benötigen der Pilot und der ihn als fliegerisches Crew-Mitglied unterstützende Notfallsanitäter Nachtsichtbrillen.
Diese Restlichtverstärkerbrillen erlauben dem Piloten, sich auch bei sehr wenig Licht und auf unbeleuchteten Landeplätzen zu orientieren. Gerade bei Verkehrsunfällen im winterlichen Feierabendverkehr ist bisher kein Rettungshubschrauber mehr verfügbar. Die NVIS-Brillen mit einem Stückpreis von rund 11.000 Euro zeigen dem Piloten Details an der Unfallstelle, die mit bloßem Auge bei Nacht nicht zu erkennen sind. Bereits seit mehreren Jahren werden mit speziellen Hubschraubern nächtliche Verlegungsflüge mit einem solchen System durchgeführt, dabei werden die Brillen aber zum Start und zur Landung auf den beleuchteten Klinik-Landeplätzen abgesetzt. Neu ist nun, dass mit den Brillen auch an unbeleuchteten Einsatzstellen gelandet werden kann. Da die Brillen aber nur ein zweidimensionales Bild der Umgebung liefern können, ist für die Crew viel Training erforderlich, um im Kopf die dritte Dimension für einen sicheren Flug entstehen zu lassen. Seit Mitte Februar werden in Ulm nahezu täglich Trainingsflüge durchgeführt, die jeweils nach Einbruch der Dunkelheit am Bundeswehrkrankenhaus beginnen und in der Regel gegen 20 Uhr enden. Ein einzelner Trainingsflug dauert zwischen fünfzehn und zwanzig Minuten, die gesamte Trainingseinheit bis zu einer Stunde. Danach wird der Flug noch im Hangar intensiv nachbesprochen. Die Flugziele liegen dabei in unbewohntem Gebiet und wurden vorher vom Regierungspräsidium als Aufsichtsbehörde genehmigt. Die Flugplätze in Erbach, Illertissen, Günzburg und Laichingen wurden ein Dutzend mal angeflogen, um keine Anwohner in Ortschaften zu stören. Außerhalb der regulären Betriebszeiten dieser Flugplätze konnten so Anflüge, Landungen und Starts bei Dunkelheit geübt werden.
Auch der Schwebeflug, also das stabile Halten einer Position in der Luft, wird dabei geübt, denn mit einer nur zweidimensionalen Brille muss ein erweitertes Empfinden für Bewegungen des Hubschraubers eingeübt werden. Bei Tageslicht genügt ein Blick auf einen fixen Punkt in der Umgebung wie ein Gebäude oder einen Hochspannungsmast, um die eigene Position zu halten, bei Dunkelheit hat der Pilot immer wieder gar keinen Orientierungspunkt. Die Trainingsflüge in Ulm enden zum Beginn der Sommerzeit, denn dann liegt der Beginn der Dämmerung so spät, dass nach einem Trainingsflug die gesetzlich vorgeschriebene Ruhezeit bis zum Dienstbeginn am nächsten Morgen nicht eingehalten werden könnte. Bis auf weiteres werden in Ulm keine Nachtflüge oder Dämmerungsflüge durchgeführt, aber die ADAC Luftrettung ist vorbereitet, wenn das Land Baden-Württemberg als Träger des Rettungsdienstes diese Erweiterung haben möchte. Wie bisher wird der Ulmer Rettungshubschrauber aber auch bei Dämmerung dann noch zu Hilfe kommen, wenn die Einsatzstelle noch mit bloßem Auge erkennbar ist. Der Rückflug zum beleuchteten Klinik-Landeplatz ist dann mit den im Hubschrauber bereits vorhandenen Nachtfluginstrumenten sicher durchführbar.

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