2016 wurde die erste Revision und Aktualisierung der interdisziplinären S3-Leitline Polytrauma/Schwerverletztenversorgung aktualisiert.
Die meisten Änderungen und Neuerungen ergaben sich im Kapitel Präklinik. Anlass für einen Weiterbildungsartikel zu diesem Thema durch Matthias Helm und Kollegen in der Thieme-Zeitschrift “Der Notarzt”:
Helm M, Kulla M, Hossfeld B
S3-Leitlinie Polytrauma – Was muss der Notarzt wissen?
Der Notarzt 2018; 34: 272–78
Die Kernaussagen dieses Beitrages sind nachfolgend zusammengefasst:
- Vorgegangen wird nach dem <C>ABCDE-Schema:
- <C>: „critical bleeding“ – kritische Blutung: die Leitlinie empfiehlt hier ein Stufenschema:
- manuelle Kompression,
- Druckverband,
- Tourniquet,
- Hämostyptika, sofern die vorausgegangenen Maßnahmen nicht erfolgreich waren.
- A: Airway – Atemweg: Die Leitlinie nennt „harte“ Indikationskriterien zur endotrachealen Intubation, jedoch bleiben die Maßnahmen zum Atemwegsmanagement, zur Beatmung und Notfallnarkose immer eine individuelle und situationsabhängige Entscheidung. Ausdrücklich empfohlen werden die Videolaryngoskopie und – nach wie vor – die Immobilisierung der Halswirbelsäule vor möglichen technischen Rettungsmaßnahmen.
- B: „Breathing“ – Beatmung: Der klinischen Untersuchung des Thorax und der Atemfunktion kommt eine zentrale Rolle zu. Insbesondere muss an das Vorliegen eines Hämato-/Pneumothorax gedacht werden. Der Spannungspneumothorax als häufigste potenziell reversible Ursache des traumassoziierten Kreislaufstillstands muss umgehend und suffizient entlastet werden.
- C: „Circulation“ – Kreislauf:
- Zur Volumentherapie empfiehlt die S3-Leitlinie den Einsatz von isotonen, balancierten Vollelektrolytlösungen. Nicht eingesetzt werden soll die sogenannte „physiologische Kochsalzlösung“.
- Bei prähospital unkontrollierbaren Blutungen wird eine Kreislaufstabilisierung als sogenannte „permissive Hypotension“ empfohlen. Bei massiven Blutungen kann bereits präklinisch Tranexamsäure appliziert werden.
- Neue Empfehlungen in der Aktualisierung:
- Bei vermutetem Spannungspneumothorax bei traumaassoziiertem Kreislaufstillstand beidseitige Entlastung mittels Minithorakotomie.
- Sonografie (eFAST) als diagnostisches Hilfsmittel.
- Maßnahmen zur Behebung potenziell reversibler Ursachen eines traumaassoziierten Kreislaufstillstands durch stumpfes Trauma dürfen durch Thoraxkompressionen nicht verzögert werden.
- Vor Abbruch einer Reanimation Ausschluss bzw. Behandlung sämtlicher potenziell reversibler Ursachen eines traumaassoziierten Kreislaufstillstands.
- D: „Disability“ (neurologischer Status): Die S3-Leitlinie empfiehlt wiederholte Erfassung und Dokumentation von:
- Bewusstseinslage,
- Pupillenfunktion,
- Glasgow Coma Scale (GCS).
- Bei bewusstseinseingeschränkten Patienten ist bis zum Beweis des Gegenteils von einer Wirbelsäulenverletzung auszugehen; Maßnahmen zur Wirbelsäulenimmobilisierung sind durchzuführen.
- E: „Exposure“: Hier ist auf Temperaturkontrolle bzw. Vermeidung einer akzidentellen Hypothermie zu achten.
- <C>: „critical bleeding“ – kritische Blutung: die Leitlinie empfiehlt hier ein Stufenschema:
- Der Transport eines Schwerverletzten kann situationsabhängig boden- oder luftgestützt erfolgen (zentrale Rolle Rettungsleitstelle in diesem Zusammenhang).