TH: Jörg Nießen ist Rettungsassistent in Köln und hat seinen Berufsalltag in Bücher gefasst. Natürlich nicht das Gewöhnliche seiner Rettungsarbeit, sondern die absurden und grotesken Ereignisse. Am Dienstagabend las er vor Fachpublikum im Ulmer Bundeswehrkrankenhaus aus seinen Büchern vor.
Seit Jahren veranstaltet der Förderverein „traumateam“ gemeinsam mit der Abteilung für Anästhesiologie & Intensivmedizin, Sektion Notfallmedizin Fortbildungsveranstaltungen für Rettungsdienstpersonal. Monatlich versammeln sie sich im BwK, um sich über die Rettung aus Windkraftanlagen oder Geburten im Rettungswagen schulen zu lassen. Ein fester Bestandteil sind aber auch die Fallbeispiele, in denen erfahrene Notärzte aus dem erlebten Alltag berichten und lehrreiche Schlussfolgerungen ziehen. Dieses Mal war der Referent für die Fallbeispiele Bestseller-Autor Jörg Nießen. Gemeinsam mit der Fachbuchhandlung Lehmanns in Ulm konnte traumateam den schreibenden Kollegen vom Rhein an die Donau holen.
Das Erstlingswerk „Schauen Sie sich einmal diese Sauerei an“ schaffte es in der Spiegel-Bestsellerliste bis auf Platz 2. Aus dem Alltag zieht Nießen die abstrusen Augenblicke heraus und bringt sein Publikum zum Lachen. Angefangen vom Taxifahrer Jupp, der sein Extra-Trinkgeld in der Kneipe in Bier anlegt: „Fünf Bier sind auch ein Schnitzel“. Als er dann „nach dem dritten Schnitzel“ rücklings vom Tresen kippt, muss die Platzwunde versorgt werden. Die Weigerung des Patienten, mit ins Krankenhaus zu gehen, führt schlussendlich zu einer wilden Kneipenschlägerei, Polizei und Rettungsdienst mittendrin. Dabei schildert er die gefährliche Situation so humorvoll, dass die Zuhörer teilweise vor Lachen Tränen in den Augen haben.
Die perfekt betonte Autorenlesung lies das Erlebte plastisch werden. Die Panik des Praktikanten, der im Rettungswagen während der beginnenden Geburt verzweifelt nach dem Abnabelungsbesteck und der Silberwindel für den Säugling sucht, konnte nicht besser beschrieben werden wie mit dem Vergleich zum verrückten Koch in der Muppets-Show. So flogen dann eben Mullbinden statt Kochlöffel wild durch den Rettungswagen. Die Erfahrung von Jörg Nießen sorgte aber dafür, dass das Kind gesund zur Welt kam.
Mindestens genauso bildhaft wurde die erste Begegnung mit einer neuen und hübschen Krankenschwester in der Notaufnahme gezeichnet. Leider hatte Nießen in dem Moment zwei gut gefüllte Beutel mit Erbrochenem in den Händen. Statt Blumen.
Über zwei Stunden liest Nießen vor, der sichtlich Spaß daran hat, vor einem Fachpublikum lesen zu dürfen. So muss er auch nicht die versteckten Gags erläutern, denn bei der Magen-Darm-Erkrankung auf dem Flusskreuzfahrtschiff heißt das Schiff „MS Emesis“. Der Mediziner bezeichnet mit Emesis das Erbrechen.
Nach der Lesung vor den über einhundert Zuhörern nimmt sich Nießen noch viel Zeit für Signierungswünsche. Die Gespräche nebenher beginnen mehrfach mit „Sowas Ähnliches habe ich auch mal erlebt…“, ein Beleg dafür, dass Nießens Erlebnisse nicht der Phantasie entsprungen sind, sondern alltäglich sind. Mitten im Spannungsfeld zwischen Leben und Tod und dem Eingreifen des Rettungsdienstes geht es also nicht nur bierernst zu, man kann vielem auch das Humorige abgewinnen.
Die Bücher von Jörg Nießen sind im Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag erschienen.
Text/Fotos: Thomas Heckmann